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Das Risiko der Abschirmung:
Wäre eine Pleite der Bank besser gewesen?

 Fast jede Sparmaßnahme wirft zwangsläufig die Frage auf, ob es tatsächlich unvermeidlich war, eine Verlustgarantie in Höhe von 21,46 Mrd. Euro für Immobiliengeschäfte der Bankgesellschaft Berlin zu übernehmen. Angesichts eines Konsolidierungsbedarfs im Haushalt des Landes von 2,5 Mrd. Euro pro Jahr sind die darin enthalten 300 Mio. Euro jährlicher Verlustausgleich für die Bank ein großes Ärgernis. Faktisch bedeutet die sogenannte Risikoabschirmung, dass die Verluste der Immobilienfonds der Bank zu Lasten der Allgemeinheit sozialisiert werden.In letzter Zeit hat vor allem die "Initiative Bankenskandal" um Professor Grottian den Bankenskandal erneut thematisiert und Vorschläge zur Minderung der Verlustgarantie unterbreitet, die bedenkenswert sind. Der Senat hat bis heute nicht geprüft, ob es juristische Wege oder freiwillige Vereinbarungen mit den Anlegern geben kann, die die Sozialisierung von Verlusten reduzieren können. Wir warten im Abgeordnetenhaus immer noch auf juristische Gutachten, die zweifelsfrei klären, ob die öffentlich diskutierten Tatbestände "Sittenwidrigkeit der Verträge" oder "Wegfall der Geschäftsgrundlage" eine Minderung der Zahlungsgarantie an die Anleger begründen können. Und wir warten immer noch darauf, dass die Wirtschaftlichkeitsprüfung aller Immobilienobjekte in den Fonds abgeschlossen wird. Je nach Zusammensetzung eines Fonds könnte es sowohl für die Anleger als auch das Land Berlin von Vorteil sein, dass die Bankgesellschaft notorische Verlustbringer aus den Fonds herausnimmt und die Anleger im Gegenzug auf die 30jährigen Mietgarantien für den verbleibenden werthaltigen Bestand verzichten.SPD und PDS weigern sich bislang, hier ernsthafte Prüfungen vorzunehmen. Halbwegs begründete Vermutungen, dass die skizzierten Wege nicht zum erwünschten Resultat führen werden, genügen angesichts der Finanzkrise des Landes aber nicht. Der Senat steht eindeutig in der Pflicht, jeder noch so kleinen Möglichkeit auf den Grund zu gehen, die geeignet sein könnte, die Kosten der Risikoabschirmung zu senken.Voller Empörung über den rot-roten Senat wird zusätzlich immer wieder die Frage aufgeworfen, ob die Risikoabschirmung nicht überhaupt hätte vermieden werden können. Diese Kritik ist verständlich, aber manche Äußerungen sind leider von wenig Sachkenntnis getrübt. Die Diskussion um die Verlustgarantie fand im ersten Quartal diesen Jahres unter erheblichem Zeitdruck und großenteils in vertraulichen Sitzungen statt. Entsprechend viele Legenden ranken sich um den Vorgang. Als Teilnehmer dieser Sitzungen im Vermögensausschuss, will ich - soweit es rechtlich gestattet ist - versuchen, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.

Schlaflose Nächte
Als erstes muss man betonen, dass die Entscheidung den Abgeordneten aller Fraktionen einen ungeheuren Arbeitsaufwand, Stress, schlaflose Nächte und das tiefsitzende Gefühl beschert hat, von einer Entscheidung derartiger Tragweite überfordert zu sein. Als Zweites ist festzuhalten, dass sich die Erörterung im Vermögensausschuss im Wesentlichen darum drehte, Mittel und Wege für die klassische Beteiligung der Anleger am eingetretenen Schaden durch Insolvenz zu finden. Alle Abgeordneten fühlten sich in erster Linie dem Steuerzahler verpflichtet und nicht der Bank oder den Anlegern.Das alles gilt - ich betone es noch einmal - für die Abgeordneten aller Fraktionen. Es galt eindeutig nicht für den Senat. Der hatte sich von Anfang an auf die Interessen der Bank festgelegt, kam seinen Informationspflichten nur unwillig nach, legte einen schlampigen, nicht verfassungskonformen Gesetzentwurf vor, verabschiedete sich in Osterurlaub und überließ den Abgeordneten von Koalition und Opposition die Arbeit der Prüfung, Entscheidung und Gesetzesformulierung.Der Bankvorstand, das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen und alle interessierten Beobachter von den deutschen Großbanken bis zur Bundesregierung standen dem Senat in ihrem Bemühen nicht nach, das Abgeordnetenhaus dazu zu pressen, die Bankgesellschaft um jeden Preis zu retten. Vergleicht man den Umgang mit anderen Schieflagen etwa bei Holzmann oder auch bei Mobilcom wird deutlich: Man ließ Berlin mit dem Problem allein. Ein Bankier hat das mir gegenüber einmal so ausgedrückt: „Was wollen Sie denn? Die Sache ist ganz einfach. Unter den Aktionären ist doch einer, der noch unbegrenzt Kredit hat: das Land Berlin.“ Was das für die Berlinerinnen und Berliner, für Kitas und Schulen, die Wissenschaftslandschaft oder die Kulturszene heißt, interessierte niemand außerhalb des Abgeordnetenhauses

Insolvenz des Immobilienbereichs nicht möglich
Der naheliegendste Gedanke für alle Parlamentarier war zunächst, eine Insolvenz des in der IBAG zusammengefassten Immobiliengeschäfts ins Auge zu fassen. Im Gegensatz zu verbreiteten Legenden gibt es weder eine rechtswirksame Prospekthaftung der Bank gegenüber den Anlegern noch spielt die vielzitierte Gewährsträgerhaftung des Landes gegenüber der LBB hier eine Rolle. Allerdings stellte sich nach heftigen Diskussionen heraus, dass die Bankgesellschaft als Ganzes über eine Kette von Patronatserklärungen und Ergebnis-Abführungs-Verträgen für die Verbindlichkeiten der IBAG haftet.Damit war die Insolvenzdiskussion auf die Bankgesellschaft als Ganzes und folglich auf eine sehr viel größere Pleite verschoben. Auch hier war klar: Eine rechtliche Verpflichtung Berlins zur Rettung des privatrechtlichen Teils der Bankgesellschaft bestand und besteht nicht. Das Land Berlin ist gesetzlich nur verpflichtet, unter allen Umständen die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit von Landesbank und Sparkasse zu garantieren.

Insolvenz der Bankgesellschaft noch teurer
Das Parlament musste also entscheiden, ob es wirtschaftlich günstiger ist, unmittelbar die Verluste aus den alten Immobiliengeschäften der Bankgesellschaft zu übernehmen oder die mittelbaren Folgen einer Insolvenz des privatrechtlichen Teils der Bank auf die Landesbank abzuwehren. Letzteres stellte sich als Kern des Problems heraus. Die öffentlich-rechtliche Landesbank erwies sich als der nach den Fondsanlegern größte Gläubiger der Bankgesellschaft. Die Bankgesellschaft stand damals bei der LBB mit fast 18 Milliarden Euro in der Kreide. Der Betrag dürfte heute noch weit höher sein. Die Bankgesellschaft kann sich seit Ausbruch der Bankenkrise an den internationalen Finanzmärkten nicht mehr zu tragbaren Kosten selbst refinanzieren. Sie benötigt dazu die Landesbank, die an ihrer Stelle die nötigen Kredite aufnimmt und dann weiterreicht.Der internationalen Finanzinstitute hatten klug vorgebaut. In dem Wissen, dass die Berliner Politik den privatrechtlichen Teil der Bankgesellschaft pleite gehen lassen konnte, die Landesbank aber nicht, hatten sie nur noch der Landesbank Geld gegeben. Die rauchenden Köpfe der Parlamentarier standen also vor folgender Frage: Was würde am Ende teuer werden: die Risikoabschirmung oder die Pleite des privatrechtlichen Teils der Bankgesellschaft? Was würde höher sein: die Inanspruchnahme aus der Verlustgarantie für das Immobiliengeschäft oder der Forderungsausfall bei der Landesbank sowie der Vermögensverlust des Landes im Falle einer Insolvenz der Bankgesellschaft?Eine Entscheidung zu treffen war in jeder Hinsicht schwierig. Es gab keine unabhängige Expertise. Alle wirtschaftlich relevanten Angaben beruhten auf Aussagen der Bank, die um ihr Überleben kämpfte und dazu zwingend die Risikoabschirmung benötigte. Zudem lassen sich weder die Risiken aus der Verlustgarantie für die Immobilengeschäfte noch die Risiken aus einer Insolvenz des privatrechtlichen Teils der Bankgesellschaft auch nur halbwegs exakt berechnen.Der Senat setze sogleich zwei unseriöse Zahlen in die Welt. Geschönte 3,73 Mrd. Euro Ausfallrisiko bei der Risikoabschirmung in den nächsten 30 Jahren und den Totalverlust aller mit der Bank verbundenen Werte in Höhe der Horrorzahl von 90 Mrd. Euro im Falle einer Insolvenz. Eigene Schätzrechnungen, die sicher realistischer aber zum Teil auch vom Willen zur Insolvenz getragen waren, führten mich zu folgendem Ergebnis: Wahrscheinliche Kosten aus der Risikoabschirmung 8 bis 10 Mrd. Euro, Kosten der Insolvenz mindestens 15 Milliarden.Hinzu mussten weitere Folgen einer Insolvenz bedacht sein: Die panikartige Verunsicherung von schätzungsweise einer Million Kunden, der Verlust von rund 40 Prozent der Arbeitsplätze im Bereich der Bank, die Vertrauenskrise für das Land Berlin und seine finanzielle Verlässlichkeit sowie der allgemeinen volkswirtschaftlichen Schaden, insbesondere die Auswirkungen auf kleine und mittlere Betriebe mit Kreditlinien bei der Bankgesellschaft. Und als weiteres Risiko: Der Prozess würde schockartig und kaum steuerbar ablaufen. Das Bundesaufsichtsamt verschärfte dies noch, indem es drohte, im Falle einer Insolvenz ein Moratorium über die Bank zu verhängen, mithin kein geordnetes Insolvenzverfahren bei Weiterführung des Geschäfts zuzulassenAngesichts der Alternativen kamen alle Mitglieder des Vermögensausschuss zu dem Schluss, dass im Prinzip nichts um Verlustgarantie für das Immobiliengeschäft der Bank herumführte. Die Fragen konzentrierten sich in der Folge darauf, wie die sogenannte Risikoabschirmung auszugestalten sei.

Detailvereinbarung zu komplex
Dem Parlament lag eine Detailvereinbarung zur Risikoabschirmung vor, um die sich in der öffentlichen Diskussion viele Legenden ranken, weswegen ich einige wichtige Elemente kurz darstellen will.

  • Das Land garantiert die Buchwerte der Vorratsimmobilien, die rechtsverbindlichen Verpflichtungen der Fondsgesellschaften sowie die bestehenden Immobilenkredite für den Komplex IBG/IBAG/LPFV - alles mit Stichtag 31.12.2001.
  • Nur Rechtsansprüche werden befriedigt. Kulanzzahlungen, wie zuvor üblich, sind von der Risikoübernahme ausgeschlossen.
  • Besonders skandalträchtige Projekte wie der Aubis Kredit, der Lausitzring oder die sogenannten Promi-Fonds sowie eigengenutzte Objekte der BGB sind entgegen landläufiger Meinung nicht Gegenstand der Garantie.
  • Während der Risikoübernahme sind Kreditstundung, Umschuldung und andere Work-Out-Maßnahmen zulässig.
  • Die Trennung von Alt - und Neugeschäft ist nicht vollständig möglich Berlin hat ein Besserungsrecht.
  • Sollten Bank und IBAG Gewinne machen, würde Berlin zunächst vor allen anderen Eigentümern 15 Prozent des Gewinns erhalten.

Insgesamt ist die Detailvereinbarung streng und sorgfältig ausgearbeitet. Das ganze Werk ist aber derart komplex, das - namentlich nach einem Eigentümerwechsel - juristische Streitigkeiten programmiert scheinen. Dies wurde in der Folgezeit zu einem der Punkte, an dem sich die Wege von Regierungskoalition und Opposition bis hin zu zwei unterschiedlichen Gesetzentwürfen trennten.

Bündnisgrüne Grundsätze
Bündnis 90/Die Grünen gingen fortan von folgenden strategischen Grundsätzen aus:

  1. Der Interessensgegensatz zwischen Bank und Land im Umgang mit der Verlustgarantie lässt sich durch keine noch so ausgeklügelte Detailvereinbarung beseitigen. Deshalb muss das Immobiliengeschäft aus der Bankgesellschaft herausgelöst werden. Ein solcher "clear-cut" würde nicht nur eine klare Trennung von Alt- und Neugeschäft erlauben, sondern auch die problematischen Querverbindungen zu den anderen Tochtergesellschaften des Konzerns kappen. Das Management wäre nicht länger Diener zweier Herren, sondern hätte die klare Zielstellung, den Immobilienbereich im Interesse des Landes Berlin Zug um Zug abzuwickeln.
  2. Von allen denkbaren Szenarien ist die Risikoabschirmung mit anschließender Insolvenz der Bankgesellschaft wegen anderweitiger Verluste die teuerste Lösung. Deswegen ist in der Detailvereinbarung eine Insolvenzschutzklausel aufzunehmen, nach der die Verlustgarantie des Landes erlischt, wenn die Bank aus anderen Gründen Insolvenz anmelden muss. In diesem Fall entstünde nämlich die absurde Situation, dass die Fondsanleger besser gestellt wären wie alle anderen Gläubiger und der Berliner Steuerzahler für sie noch blechen würde, wenn die Bank als Ganzes längst untergegangen wäre.
  3. Ein möglichst rascher und illusionsloser Verkauf der Bankgesellschaft ist unabdingbar. Das Restrukturierungskonzept der Bankgesellschaft stellt für sich genommen keine nachhaltige Sanierungsstrategie dar. Erfolgreiche Umstrukturierung setzt den Verkauf der Bank an finanzstarke Investoren voraus. Eine Sanierungsstrategie, die auf eine Stand-Alone-Lösung und am Ende auf ein "Weiter so" hinausläuft, kann nicht aufgehen.
  4. Die IBB als Strukturbank des Landes kann bei einem Verkauf ohnehin nicht mit übertragen werden. Deshalb ist sie mit einem Eigenkapital von mindestens 1,5 Mrd. Euro sofort aus der Bankgesellschaft auszugliedern. Zugleich würde der Senat damit dokumentieren, dass er tatsächlich ernsthafte Verkaufsabsichten hegt. Über alle vier Grundsätze konnten wir uns mit der rot-roten Koalition trotz der Sympathie zahlreicher Abgeordneter aus der Regierungsmehrheit am Ende nicht einigen. Stattdessen gab es einen gemeinsamen Gesetzentwurf auf unserer Linie mit CDU und FDP.

Anschlussinsolvenz immer möglich
Nach den neuesten Meldungen aus der EU-Kommission sieht es so aus, als würde dort die Risikoabschirmung ohnehin nur genehmigt, wenn die Auslagerung von Immobilengeschäft und IBB vollzogen und die Bank verkauft wird. Damit würden wesentliche Forderungen von uns auf diesem Wege erfüllt.Ich will deshalb zum Abschluss aber nur noch die Frage einer Anschlussinsolvenz beleuchten. Denn die gegenwärtige Bankenkrise in Deutschland, die sogar die Commerzbank und die Dresdener Bank ins Wackeln gebracht hat, gibt erneut zu großer Sorge Anlass. Die Bankgesellschaft schrieb in den Jahren 2000 und 2001 in allen Geschäftsbereichen, nicht nur im Immobilienbereich Verluste. Dass das Land Berlin im Jahr 2001 schon vor der Risikoabschirmung knapp 2 Mrd. Euro Kapital nachschießen musste, lässt den Umfang der Verluste ahnen. Diese Verluste liegen im Retail-Geschäft mit dem privaten Kunden - der einzigen Stärke, über die die Bankgesellschaft verfügt – im zu hohen Personalbesatz und den zu hohen Verwaltungskosten begründet. Um energische Rationalisierung in diesem Bereich kommt niemand herum. Zudem ist das Portofolio an Groß- und Unternehmenskrediten insbesondere im Immobilenbereich extrem risikobehaftet. Ein Kreditvolumen von 6 bis 10 Mrd. Euro geistert durch den Raum, das als „faul“ einzustufen sei. Und schließlich dreht die Bank ein viel zu großes Rad im Derivatgeschäft, das bisher keine nennenswerten Verluste verursacht hat aber allein von seiner Größenordnung geeignet ist, bei einer Schieflage das gesamte Institut unter sich zu begraben.

Verkauf unabdingbar
Insgesamt sind also die Kosten zu hoch und gleichzeitig das Profil der Geschäftstätigkeit viel zu riskant. Nennenswerte Rücklagen existieren nicht mehr, so dass weitere Verluste den erneuten Verzehr von Eigenkapital bedeuten. Rettungsaktionen des Landes sind nach dem EU-Rechtsgrundsatz "first time-last time" nicht mehr möglich. Das Überleben der Bank hängt im Resultat einzig und allein davon ab, dass das Restrukturierungsprogramm des Vorstands aufgeht wie geplant. Viel Luft für böse Überraschungen gibt es in diesem Umstruktierungsplan nicht. Alles in allem sind dies denkbar schlechte Voraussetzungen für eine „Stand-Alone-Lösung“, mit der manche immer noch liebäugeln. Um einen Verkauf der Bank führt nichts herum. Die Bank braucht eine neue Führung und frisches Geld.Allerdings dürften dann einige Optimisten vom zu erzielenden Preis sehr enttäuscht sein. Dann werden diejenigen, die auf Kosten des Landes „weiterwurschtel“ wollen wie bisher, mit Verweis auf den angeblichen Schleuderpreis erneut ihre Chance suchen. Und es schlägt möglicherweise die Stunde derer, die einen höheren Kaufpreis für den Haushalt vereinnahmen wollen und dafür bereit sind, weitere Risikoübernahmen durch das Land einzugehen. Beiden Tendenzen darf man nicht nachgeben. Für die Bankgesellschaft gilt unverändert: Risikoabwehr geht vor Verkaufspreis.

Jochen Esser

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