Menü

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 
Dies ist also der letzte Haushalt, den uns Finanzsenator Sarrazin vorlegt. Ich darf deshalb die Gelegenheit ergreifen und Ihnen, Herr Sarrazin, für die geleistete Arbeit danken.

[Beifall bei den Grünen, der SPD, der Linksfraktion und der FDP] 

Sie haben einen erheblichen Beitrag zum Mentalitätswechsel in der Stadt geleistet. Dies ist in den vergangenen Tagen in der Presse auch zu Recht ausführlich gewürdigt worden. Vor allem aber bin ich Ihnen ganz persönlich dankbar, dass Sie gegen den damaligen Bausenator Strieder den überfälligen Ausstieg aus dem sehr speziellen Berliner System der Wohnungsbauförderung durchgesetzt haben.

Ich erinnere mich noch gut an die Haushaltsberatung im Dezember 2002. Damals habe ich gesagt, dass sich Rot-Rot die ganze Sparpolitik sparen kann, wenn man eine Milliarde Euro einfach liegen lässt, die aus dem Landes-haushalt Jahr für Jahr ohne jede rechtliche Verpflichtung in die Taschen der Immobilieneigentümer und Banken fließt. Warum, fragte ich SPD und Linkspartei, sollen für die Haushaltssanierung eigentlich nur die Schwachen bluten? Nach der Sitzung kamen Sie, Herr Sarrazin, zu mir und sagten: „Wir machen das.“ Tatsächlich haben Sie den Ausstieg aus der Anschlussförderung im Senat durchgesetzt. Dafür bin ich Ihnen dankbar.

 [Beifall bei den Grünen] 

Insgesamt stehe ich dennoch lieber in Opposition zu Ihnen als an Ihrer Seite. Das hat nicht zuletzt mit unseren Erlebnissen vor Gericht zu tun. Wie Sie sich erinnern, haben wir dreimal zusammen vor Verfassungsgerichten gestanden. Zweimal vor dem Berliner Verfassungsgericht stand ich gegen Sie und habe gewonnen. Einmal vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stand ich auf Ihrer Seite und habe mit verloren. Angesichts dieser Bilanz fiel die Wahl dann doch nicht so schwer. Um es frei nach Müntefering zu sagen: „Regieren mit Sarrazin ist größerer Mist als konstruktive Opposition zu Sarrazin.“

 [Beifall bei den Grünen] 

Als Opposition sage ich Ihnen heute, es ist nicht wahr, wenn Sie behaupten, Sie hinterließen den Berliner Haus-halt als „geordnete Baustelle“. Baustelle? Ja. Geordnet? Nein.

Ihren guten Ruf als Haushaltssanierer haben Sie sich in der letzten Legislaturperiode erworben.

 [Beifall bei den Grünen] 

In der letzten Legislaturperiode ist dieser Ruf auch von den Zahlen untermauert. Nach dem Jahr der Haushaltskatastrophe 2001 gingen die Primärausgaben – das ist das Einzige, das wir wirklich autonom beeinflussen können – steil nach unten und erreichten ihren Tiefpunkt 2006. Seit der Wiederwahl von Rot-Rot sieht die Sache allerdings ganz anders aus. Seitdem gehen die Primärausgaben ebenso wieder steil bergauf. Heute sind wir ungefähr mit den Konjunkturausgaben dort angelangt, wo wir 2001 hergekommen sind.

Inflationsbereinigt ist das keine schlechte Bilanz. Das gebe ich gern zu. Dennoch hat der Kollege Meyer von der FDP ebenso Recht, wenn er darauf hinweist, dass Sie in dieser Legislaturperiode nichts Neues mehr auf den Weg gebracht haben und es innerhalb der Koalition verdammt schwer haben.

Im Unterschied zu heute hatten Sie 2002 ein klar definiertes und realistisches Etappenziel auf dem Weg zu einem sanierten Haushalt, den ausgeglichenen Primärhaushalt 2007. Darum herum haben Sie Ihre gesamte Kom-munikation aufgebaut. Es gab ein Maßnahmepaket, hier im Parlament breit entwickelt und breit getragen, um dieses Ziel zu erreichen. In dieser Legislaturperiode hingegen kommt aus dem Haus des Finanzsenators nur noch Zahlensalat, aber keine klare Linie.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Christoph Meyer (FDP)] 

Anders als 2002 gibt es kein Sanierungsziel, das Sie uns hinterlassen und kein definiertes Maßnahmepaket. Das wäre aber dringend nötig. Alles, was es heute gibt, sind diffuse Hinweise – Sie haben Sie vorhin wiederholt – auf einen ausgeglichenen Haushalt vielleicht 2020, wenn ein Ausgabewachstum von höchstens 1,3 oder 1,4 Prozent eingehalten würde. Daran schließt dann die abstrakte rechnerische Erwägung an, dass dies bei Inflationsraten von 1,5 Prozent und höher zwingend reale Einsparmaßnahmen nach sich zieht. 

Hier wird es erst spannend. Welche Sparmaßnahmen halten Sie, Herr Sarrazin, für geboten? Wollen Sie uns eine Antwort mit auf den Weg geben oder überlassen Sie Herrn Nußbaum, Ihrem Nachfolger, lieber eine ungeordnete Baustelle, auf der er dann die Bremer Politik der Geldverschwendung fortsetzen kann, die Sie zu Recht vielfach kritisiert haben.  

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Beifall von Christian Goiny (CDU)] 

Denn deutlich anders ist es in Bremen erst geworden, seitdem wir Grünen mit in der Regierung sind und die Finanzsenatorin stellen.

[Beifall bei den Grünen] 

Bislang ist in der mittelfristigen Perspektive vom Ihnen, Herr Sarrazin, nichts zu hören, sondern nur die Behauptung in der Öffentlichkeit unterwegs – ich fürchte, nicht ohne Ihr Zutun –, der Berliner Haushalt sei eigentlich strukturell gesund. Dabei wissen wir doch alle, dass die Behauptung falsch ist. Wir kennen die Problemzonen des Landeshaushalts.

Es stimmt auch für diesen Nachtragshaushalt nicht, dass er eine reine Veranschlagung konjunkturbedingter Mehrausgaben sei. Herr Zackenfels, ich würde mich damit nicht auseinandersetzen, wenn der Senator seine Argumentation – auch gerade eben – nicht so stark auf diesen Punkt zentrieren würde.

Tatsächlich hat mehr als die Hälfte der Mehrausgaben von 650 Millionen Euro nichts mit der Konjunktur zu tun. Bei der Tariferhöhung mit einem Umfang von 53 Millionen Euro und beim Kaufpreis für Tempelhof in Höhe von 40 Millionen Euro dürfte das unter uns unstrittig sein. Für die Kitas brauchen wir 90 Millionen Euro mehr, weil wir mehr Kinder haben. Das ist eine erfreuliche Nachricht, die ganz und gar nichts mit den schlimmen Nachrichten von der Finanzkrise zu tun hat. Die Sozialkosten steigen um 99 Millionen Euro, dabei handelt es sich um ein jährlich wiederkehrendes Dauerereignis, in dem sich mögliche Zusatzkosten der Wirtschaftskrise noch gar nicht widerspiegeln. Dass Herr Sarrazin der Kollegin Knake-Werner zähneknirschend weitere 18 Millionen Euro für ihren fehlgeleiteten ÖBS zuschieben muss, hat vielleicht viel mit dem Koalitionsfrieden, aber wenig mit der Konjunktur zu tun.

[Beifall bei den Grünen und der FDP] 

Eines sage ich Ihnen auch noch, Herr Zackenfels: Nach Jahren mangelnder Bauunterhaltung die 50 Millionen Euro für die Schulsanierung nicht als neu gewonnene Einsicht zu verkaufen, sondern als aus der Not der Krise geboren, ist auch unter PR-Gesichtspunkten nicht besonders intelligent.

So komme ich auf insgesamt 350 Millionen Euro Mehrausgaben, die ihren Ursprung nicht in der Wirtschafts- und Finanzkrise haben. Das führt zu der Überlegung, dass unter diesen Bedingungen ein ursprünglich mit einem Plus in Höhe von 90 Millionen Euro kalkulierter Haushalt, allein durch diese hausgemachten Entscheidungen bereits in die Miesen geraten wäre. Dazu hätte es der Wirtschaftskrise gar nicht bedurft, wohl aber Ihrer etwas lockeren Art und Weise, Ausgaben ohne Gegenfinanzierung zu beschließen.

Interessant ist auch, was im Nachtrag alles fehlt. Sie haben im letzten Jahr bereits Mehrausgaben – so vermute ich – in hoher zweistelliger Millionenhöhe für 2009 beschlossen, die nicht im Haushalt stehen. Das werden wir in der Beratung nachholen müssen. Wir haben inzwischen obendrein inzwischen nicht nur mehr Kinder in der Kita, sondern auch in der Grundschule. Anders als bei der Kita veranschlagen Sie im Nachtrag die notwendigen Mittel für die erforderlichen Lehrer, die höheren Zuschüsse für den Hortbetrieb und die freien Schulen aber nicht. Hier werden wir in der Beratung nachbessern müssen. Es fehlen die investiven Mittel für die Dauerbrenner Staatsoper, Steglitzer Kreisel, Hochschule Ernst Busch, und auf der Einnahmeseite – Herr Goetze hat es gesagt –, sind die deutlichen Verluste aus den Glücksspieleinnahmen nicht berücksichtigt.  

Herr Sarrazin! Sie haben uns gestern darauf geantwortet, der Haushalt sei insgesamt elastisch genug, um diese Belastungen aufzufangen. Sie wissen, dass mich diese doppelte Buchführung, über die Herr Goetze hier ausführ-lich gesprochen hat, seit Ihrem Amtsantritt fast in den Wahnsinn treibt. Es ist eine doppelte Buchführung von regelmäßig rund 10 Prozent des Haushaltsvolumens, also von etwa 2 Milliarden Euro, die Sie mehr oder weniger frei bewirtschaften. Ich habe immer wieder an SPD und Linkspartei appelliert: Nehmen Sie doch das Königsrecht des Parlaments ernst, nehmen Sie es wahr. Nehmen Sie den Senat und den Finanzsenator an die kurze Finanzleine, an die sie gehören.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Beifall von Uwe Goetze (CDU)] 

Passiert ist an dieser Stelle leider nichts. Ich hätte mir gewünscht, Herr Sarrazin, Sie hätten zum Abschluss Ihrer Tätigkeit in Berlin endlich einmal einen wirklich ehrlichen Haushalt vorgelegt und das nicht nur behauptet.

Abschließend noch ein paar Anmerkungen zur Umsetzung des Konjunkturpakets: Erstens: Ich finde es richtig, dass die vorübergehenden Konjunkturmaßnahmen in einem eigenem Kapitel veranschlagt werden. Ich finde es richtig, dass dadurch die strikte Trennung von der normalen Haushaltsentwicklung gewahrt ist. Ich erwarte, dass das auch 2010 und 2011 so sein wird. Zweitens, Herr Zackenfels, wir sind uns als Grüne der Tatsache wohl bewusst, dass die Beplanung der Konjunkturmaßnahmen ein Work-in-Progress ist und wollen die Umsetzung der Maßnahmen nicht über Gebühr verzögern. Wir erwarten aber im Umkehrschluss drittens, dass der Senat die angekündigte interne Aufteilung der Maßnahmen auf eigene Titel so weit vornimmt, wie dies bis zur 2. Lesung möglich ist. Sie können nicht erwarten, dass wir eine Generalermächtigung an die Exekutive erteilen, mit den 278 Millionen Euro zu machen, was sie will!  

[Beifall bei den Grünen]  

Wir warten jetzt ab, wie der Maßnahmekatalog aussieht, und dann gucken wir ihn uns unter drei Gesichtspunkten an: Sind die Schwerpunkte richtig gesetzt, ist die ökologische Ausrichtung gewährleistet, wird in allen dafür geeigneten Fällen die EnEV 2012 eingehalten –, dann haben Sie uns an Ihrer Seite. Andernfalls wird es doch kompliziertere Diskussionen geben als Sie sie sich wünschen. 

[Beifall bei den Grünen]



zurück


Sie befinden sich im Themenbereich Haushalt - Parlamentsrede

 zum Archiv Haushalt