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Verkauf der Landesbank: Kein Grund zum Feiern!

 Am 15. Juni 2007 verkündete der Senat, die Landebank Berlin (LBB) und die daran angeschlossene Berliner Sparkasse würden für 4,6 Milliarden Euro an den Deutschen Sparkassen und Giroverband (DSGV) verkauft. Zwar fehlen noch zahlreiche Genehmigungen durch deutsche und ausländische Behörden. Doch zweifelt niemand daran, dass die Genehmigungen in den nächsten Monaten erteilt und der Verkauf vom  Abgeordnetenhaus beschlossen werden wird.

Angesichts dieser Aussichten gerieten SPD, Linkspartei und CDU in nie erlebte, gemeinsame Festtagsstimmung. Der SPD Fraktionsvorsitzende Müller erklärte, mit dem Verkauf der Landesbank sei das Finanzdesaster der ehemaligen Bankgesellschaft „nach einem schwierigen Prozess zu einem glanzvollen Abschluss“ gebracht worden. Die CDU forderte, jetzt müsse Schluss sein mit der Behauptung vom „Horrorszenario Bankgesellschaft“, denn der Kaufpreis übersteige bei Weitem die Kosten der Risikoabschirmung. Wirtschaftssenator Wolf von der Linkspartei schloss sich dieser kühnen Vorhersage an. Und der Regierende Bürgermeister Wowereit setzte noch eins drauf, indem er gleich die gesamte Haushaltskrise Berlins für beendet erklärte und verkündete: „Berlin ist über den Berg“. Der kritische Beobachter fragt sich verdutzt, ob hier der Rinderwahnsinn ausgebrochen ist. Denn nichts von dem, was die hohen Herren da behaupten, stimmt.

Haushaltsnotlage dauert an
Fangen wir mit dem Regierenden Bürgermeister und seiner Behauptung an, Berlin sei über den Berg. Die 4,6 Milliarden Euro aus dem Bankverkauf tragen nichts zur Besserung der Haushaltslage bei, weil sie far nicht in den Landeshaushalt fließen sondern komplett in eine Rücklage zur Abdeckung der Kosten der Risikoabschirmung eingestellt werden.

Die schönen 4,6 Milliarden Euro Volksvermögen werden deshalb in den nächsten 20 Jahren Euro für Euro in die Taschen der Fondsanleger wandern. Aus dem Verkaufserlös sehen weder eine Schule noch ein Kindergarten noch irgendein hilfsbedürftiger Berliner auch nur einen Cent, weil das Land Berlin 2002 die Pleite der Bankgesellschaft dadurch abgewendet hat, dass es Garantien im Wert von 21,6 Milliarden Euro übernahm, die der Bankenkonzern den Zeichnern seiner Immobilienfonds gegeben hatte.

Bis heute 10 Mrd. Euro Volksvermögen vernichtet
Deshalb kann von einem Schlussstrich unter die Bankenaffäre nicht die Rede sein. Im Gegenteil. Mit dem Verkauf der Bank beginnt das ganze Ausmaß des Skandals sichtbar zu werden.
Bei Gründung der Bankgesellschaft 1994 hat das Land Berlin rund 2,5 Milliarden Euro Volksvermögen als Eigenkapital in die Bank eingebracht. Wo ist dieses Geld heute? Es ist schlicht nicht mehr da. Sodann musste die Landeskasse 2001 eine Kapitalerhöhung von 1,8 Milliarden Euro aus Steuergeldern leisten, um die Bank vor der Pleite zu retten. Dieses Geld ist heute ebenfalls weg. 2005 erließ das Land der Bankgesellschaft obendrein Zinsschulden im Wert von 1,1 Milliarden Euro. Auch diese Summe sieht das Land nie wieder. In 10 Jahren Landesbankgeschichte sind bisher 5,4 Milliarden Euro Volksvermögen vernichtet worden.
Nimmt man die 4,6 Milliarden Euro Verkaufserlös hinzu, die in den kommenden Jahren die Taschen der Fondsanleger wandern werden, wird klar: Schon heute ist ein Vermögensschaden von insgesamt 10 Milliarden Euro entstanden. Man muss schon sehr umnebelt sein, wenn man das zu einem „glanzvollen Abschluss“ verklärt, wie es der Fraktionsvorsitzende der SPD getan hat.

Risikoabschirmung kostet mindestens 6 Mrd. Euro
Stellt sich noch die Frage, ob es bei den 10 Milliarden Euro Gesamtschaden bleibt? Die Antwort hängt davon ab, ob die 4,6 Milliarden Euro Verkaufserlös reichen, um alle Kosten zu decken, die die sogenannte Risikoabschirmung in Zukunft verursachen wird.
Die Garantiesumme, für die das Land gegenüber der Bank und den Fondsanlegern gerade steht, beläuft sich bekanntlich auf 21,6 Milliarden Euro. Allerdings könnte soviel könnte real nur entstehen, wenn alle Fondsimmobilien in den nächsten 20 Jahren keinerlei Mieteinnahmen hätten und in der Folge überhaupt nichts wert wären. So schlimm ist die tatsächliche Lage logischerweise nicht.
Aber sie ist schlimm genug. Die dem Abgeordnetenhaus in den letzten 5 Jahren vorgelegten Schätzungen der möglichen Verluste bewegen sich zwischen 3,7 und 12,7 Milliarden Euro. Allein diese Bandbreite zeigt, dass niemand nichts Genaues weiß.
Im Mittel wird mit einem Verlust von sechs bis acht Milliarden Euro gerechnet. Die EU-Kommission, die den Bankenskandal besonders intensiv geprüft hat, kam zu dem Ergebnis, dass die Kosten der Risikoabschirmung mit ziemlicher Sicherheit mindestens 6,1 Milliarden Euro betragen werden. Und die Bank selbst gab 2001 an, eine einmalige Kapitalerhöhung von 6 Milliarden Euro zu benötigen, falls die Risikoabschirmung nicht beschlossen würde.
Sechs Milliarden Euro sind bis heute die einzige einigermaßen plausible Ankerzahl für die Kosten der Risikoabschirmung in einem Meer aus Kaffeesatzleserei. Alles weist darauf hin, dass die 4,6 Milliarden Euro Verkaufserlös, die SPD und Linkspartei in die Rücklage zur Begleichung des Schadens stecken wollen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht reichen werden.

Stille Einlage zur Vorsorge einsetzen
Die Behauptung von SPD, Linkspartei und CDU, der Verkaufserlös reiche als Vorsorge für die Zukunft mit Sicherheit aus, ist verantwortungslos. Wenn sechs Milliarden Euro oder mehr benötigt werden, kommt in den nächsten Jahren unweigerlich der Tag, an dem die 4,6 Milliarden Euro aufgebraucht sind und dennoch neue Rechnungen ins Haus flattern. Dann wird man ein, zwei oder drei Milliarden Euro aus dem Landeshaushalt schneiden oder neue Schulden machen müssen, um die noch offenen Rechnungen zu bezahlen. Wie die nächste Generation mit diesem Problem fertig werden soll, scheint SPD und Linkspartei egal zu sein.
Dabei gäbe es ein Mittel, die Rücklage für die Risikoabschirmung besser auszustatten. Das Land Berlin hat nämlich seine Stille Einlage in der LBB im Wert von 1,1 Milliarden Euro aus dem Bankendesaster retten können. Anfang Januar diesen Jahres überwies die LBB dem Land Berlin 400 Millionen Euro. Und die restlichen 700 Millionen Euro wird der DSGV dem Land zum 1.1. 2008 zurück erstatten. Wenn der Senat neben dem Verkaufserlös auch die Stille Einlage in die Rücklage packen würde, wäre die Vorsorge für die Risikoabschirmung mit 5,7 Milliarden Euro wenigstens in der Nähe dessen, was erforderlich ist.

Linkspartei: Schoßhündchen der SPD
Warum SPD und CDU den falschen Eindruck zu erwecken suchen, die Bankgesellschaftsaffäre schließe mit einem Überschuss ab, den man im Landeshaushalt verbraten kann, ist leicht zu erraten. Sie sind politisch verantwortlich für den Bankenskandal und wollen ihn nachträglich kleiner reden als er ist.
Aber warum macht die Linkspartei da mit, die wie wir Grünen in Opposition zur Großen Koalition gestanden hat? Vielleicht weil sie inzwischen zum handzahmen Schoßhündchen der SPD geworden ist. Ganz bestimmt aber schürt die Linkspartei zur Zeit die allgemeine Festtagsstimmung, damit niemand fragt, was eigentlich aus ihrem Beschluss geworden ist, die Sparkasse nur unter der Bedingung zu verkaufen, dass eine Arbeitsplatzgarantie für die Mitarbeiter gegeben, ein Girokonto für alle ermöglicht und die Präsenz in der Stadt verstärkt wird. Das alles sollte in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Käufer geregelt werden.
Doch einen solchen Vertrag mit dem Käufer gibt es nicht. Und von alleine wird das selbst der Sparkassen- und Giroverband nicht garantieren. Der hat bloß zugesichert, sich an das Berliner Sparkassengesetz zu halten. Und da steht von Konto für alle, Filialdichte oder Kündigungsschutz bekanntlich nichts drin.

Berlin, 02. Juli 2007, Jochen Esser (Finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) 

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