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von Jochen Esser, MdA - finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin – 16. Wahlperiode, 09. November 2006 - Nachtragshaushalt 2007
Herr Präsident, meine Damen und Herren
ich hätte mir gewünscht, der Entschließungsantrag der CDU wäre präziser in der Formulierung des Sanierungsziels und präziser in der Festlegung der Mittel, die uns an dieses Ziel führen können.
Aber wir teilen die Grundintention de4r Entschließung und werden ihr deshalb nachher zustimmen. Denn was wir jetzt in der Tat brauchen, ist Raum für den Wettbewerb der Ideen und die politische und gesellschaftliche Diskussion, wie mit der neuen Finanzsituation der Stadt umgegangen werden soll.
Genau diese Diskussion versucht der Senat zur Zeit schon im Ansatz zu ersticken, etwa indem er einen Nachtragshaushalt für 2007 verweigert. Die Rechtslage ist zwar eindeutig und Sie wissen das auch. Aber Sie versuchen sich mal wieder darum herum zu mogeln, weil Haushaltsdiskussionen unweigerlich die Frage aufwerfen: Welche Bedeutung müssen wir den Sparhinweisen im Karlsruher Urteil zumessen? Und diese Debatte fürchten Sie wie der Teufel das Weihwasser, denn Sie wollen diesen Hinweisen auch nicht ansatzweise nachkommen.
Das aber werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen!
Denn damit nehmen Sie die ganze Stadt in Geiselhaft für ihre eigene Handlungsunfähigkeit. Die Sparhinweise des Verfassungsgerichts – da sollte sich niemand hier im Saal Illusionen hingeben - haben bundesweit äußerst große Akzeptanz gefunden. Und das in Ost und West, in reichen und in armen Bundesländern, in der Politik, den Medien und bei der Bevölkerung.
Ihnen zumindest ein Stück weit Folge zu leisten, ist deshalb inzwischen Vorraussetzung dafür, dass politische Verhandlungen mit dem Bund und den Ländern für Berlin erfolgreich verlaufen können – sei es sei es bei der zweiten Stufe der Föderalismusreform, sei es bei der finanziellen Ausgestaltung der neuen Hauptstadtklausel im Grundgesetz.
Sich nach der Enttäuschung von Karlsruhe stattdessen in eine trotzige Verweigerungshaltung des „Jetzt erst recht, Weitermachen wie vorher“ hinzeinzusteigern, wie es der Regierende Bürgermeister uns vorführt, macht die Sache für unsere Stadt nur noch schlimmer.
Die Karlsruher Ohrfeige für Klaus Wowereit, Tilo Sarrazin und die gesamte rot-rote Koalition hat eine Vorgeschichte, an die ich Sie alle noch mal erinnern will, weil es bedeutsam ist, die Lehren aus dieser Vorgeschichte zu ziehen.
Vor mündlichen Verhandlung in Karlsruhe hatten wir sie geradezu beschworen – in Redebeiträgen, in schriftlichen Stellungnahmen und in parlamentarischen Anträgen – auf die Vorhalte der anderen Länder und die zu erwartenden Fragen des Gerichts zu weiteren Einsparmöglichkeiten zu antworten. Wir haben gesagt, zeigen sie eine Sanierungsperspektive auf, die über das Jahr 2007 hinausgeht.
Ich weiß noch genau, wie mir Senator Sarrazin geantwortet hat, was soll ich da noch einen Schriftsatz schreiben, den lesen die Richter sowieso nicht. Und in der mündlichen Verhandlung haben Sie sich schlicht geweigert, auf Nachfrage des Gerichts auch nur eine einzige Sparmöglichkeit für die Zukunft zu benennen. Stattdessen kam von Berliner Seite der Satz, „man werde jede Auflage des Gerichts erfüllen. Dann sei aber auch klar, wer die Verantwortung trägt.“ Da hat es mich im Gerichtssaal fast vom Stuhl gehauen. Denn dass so etwas bei den Richtern nicht gut ankommt, kann sich eigentlich jeder halbwegs denkfähige Mensch ausrechnen.
Das Resultat dieser Verweigerungshaltung ist bekannt. Das Gericht hat Ihnen an all den Stellen, zu denen sie sich nicht geäußert haben, die Verantwortung zurückgegeben – ob beim Thema Risikoabschirmung, Personalkosten, Gewerbesteuer oder Wohnungsbaugesellschaften und im Ergebnis Berlin jeden Anspruch auf Hilfe verweigert, solange nicht irgendein Berliner Senat diese Fragen nicht praktisch angeht.
Jetzt liegt uns eine Koalitionsvereinbarung vor, die auch weiterhin keine dieser offenen Fragen anpackt.
Herr Wechselberg hat uns gestern im Hauptausschuss sehr klar vor Augen geführt, warum das so ist. Er hat gesagt, aus Sicht der PDS seien die erforderlichen Schritte vielleicht haushaltstechnisch machbar, aber politisch nicht durchsetzbar. Nun Herr Wechselberg, das mag für Ihren Parteitag und für einen Teil Ihrer Wählerschaft stimmen. Das stimmt vielleicht auch für einige Interessensgruppen, die Ihnen persönlich besonders am Herzen liegen.
Aber Sie können sich nicht auf die Mehrheit der Menschen in dieser Stadt berufen, wenn Sie die Zukunft Berlins gefährden, bloß weil ihre, bei der Wahl stark dezimierte Partei nicht bereit ist, sich wenigstens ein Stück auf die Mitte der Gesellschaft, die anderen Bundesländer und den Bund zuzubewegen.
Und Sie, meine Damen und Herren von der SPD, können und dürfen eigentlich keine Regierung bilden, die sich von einem Partner abhängig macht, der im bundesweiten Abseits verharrt und in Zukunft einen Parteichef haben wird, dem das noch nicht abseitig genug ist.
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