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 von Jochen Esser im Parlament vom 26. April 2007 zum Thema Gewerbesiedlungs-Gesellschaft (GSG)-Verkauf

Herr Präsident, meine Damen und Herren,
im Wirtschaftsausschuss hat die IBB eine Folie vorgelegt, die das entscheidende Schlaglicht auf den Verkauf der GSG wirft. Ausweislich dieser Unterlage fehlen der IBB derzeit 170 Millionen Euro Eigenkapital, um die Forderungen des Kreditwesengesetzes zu erfüllen. Das Bundesamt für Finanzaufsicht hat diese Spätfolge des Bankenskandals nur bis zum 31.8.2007 gebilligt.

Mit dem Verkauf der GSG vor Ende der befristeten Erlaubnis für die IBB, Bankgeschäfte zu tätigen, wird die bankenrechtliche Problematik beseitigt. Aber die wirtschaftspolitische Vernunft und die Interessen von Existenzgründern und kleinen Unternehmen, die auf preiswerte Mieten der GSG angewiesen sind und vertraut haben, bleiben dabei aber auf der Strecke. Der Senat ist in einer finanzpolitischen Klemme den leichten Weg gegangen und hat dabei die wirtschaftspolitische Vernunft geopfert. Ich bleibe dabei: Die GSG gehört nicht in die Hand von Finanzinvestoren wie das Konsortium aus ORCO Property Group und Morgan Stanley Real Estate Funds V International. Und erst recht gilt das für Universitätsinstitute der TU.

Das wirtschaftliche Kompetenzfeld Berlins mit der größten Wachstumsdynamik und internationalen Ausstrahlung ist die Kommunikations- Medien- und Kulturwirtschaft. Verantwortlich dafür ist eine vergleichsweise kleinteilige Unternehmensstruktur, die sich auch räumlich in einigen innerstädtischen Stadtteilen konzentriert. Die klassische Wirtschaftsförderpolitik nehmen diese kleinen Firmen kaum in Anspruch. Umso wichtiger ist für sie - nach eigenen Angaben - die Lebensqualität der Stadt und ihre Urbanität. Sie schätzen unverfügte Freiräume in der Stadt und brauchen preiswerten Gewerberaum in den Innenstadtgebieten.

Und dafür spielt die GSG eine sehr wichtige Rolle. Ein Drittel der Mieter in den innerstädtischen Gewerbehöfen der GSG, insbesondere in Kreuzberg und Schöneberg, gehört zum Kommunikations-, Medien- und Kultursektor. Der Verkauf der GSG stellt deshalb einen schweren und irreparablen Eingriff in die innerstädtische Vernetzung dieser Unternehmen dar. Er ist geradezu direkt gegen die Berliner Clusterstrategie gerichtet. Mit uns ist das nicht zu machen, dass die Clusterstrategie in jeder Sonntagsrede vorkommt, aber wenn’s praktisch wird und eventuell Geld kosten könnte unter den Hammer kommt!

Hinzu kommt noch ein Stück aus dem Tollhaus, das noch nicht vollständig ausgestanden ist. Ich meine die turbulenten Ereignisse um die Institute der TU auf dem ehemaligen AEG-Gelände im Wedding, dem heutigen TIB. 180 Millionen Euro haben GSG und TU in 56.000 Quadratmeter Spitzenforschung investiert. Das ist gut die Hälfte des Kaufpreises, den wir jetzt für die ganze GSG mit all ihren 44 Gewerbehöfen erhalten.

Senator Sarrazin glaubte jede Diskussion darüber ersticken zu können, indem er behauptete, dass die TU einen Mietvertrag bis 2044 hätte und bis dahin die Investition abgeschrieben sei. Ich finde, dass dieses Abschreibungsargument ohnehin Unsinn ist. Denn einen Standort der Spitzenforschung auf dem neuesten Stand zu halten, erfordert mindestens so viele Zuschreibungen in Gebäude und Anlagen wie Abschreibungen anfallen. Jedenfalls gilt dies für einen Forschungsstandort, der ein Unikat darstellt, aus dem man nicht einfach mal umziehen kann. Und dann stellte sich auch noch heraus, dass die TU wahrscheinlich überhaupt keinen gültigen Mietvertrag hatte oder bestenfalls einen Vertrag bis 2015. Damit löste sich das Abschreibungsargument von Herrn Sarrazin endgültig in Luft aus.

Auf Grund der Haltung der beiden anderen Oppositionsfraktionen stand leider von vorneherein fest, dass der Verkauf der GSG hier im Haus eine Mehrheit finden wird. Von daher war es – trotz der Widerstände, die es auch in der Koalition gab und gibt -  nicht leicht, hier auf Oppositionskurs zu gehen. Aber mit Blick auf die TU bin nachträglich froh, ja sogar ein wenig stolz, dass wir das dennoch mit aller Kraft gemacht haben. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch haben IBB und ORRCO in letzter Minute eine Veränderung des Kaufvertrages notariell vereinbart. Das Mietverhältnis der TU wird zu den bisherigen Mietkonditionen bis 2044 gesichert. Schon dafür hat sich unser Einsatz gelohnt!

Es ist in dieser Nacht leider nicht gelungen, der TU auch eine Kaufoption im Vertrag mit der ORCO einzuräumen. Die ORCO hat allerdings zugesichert, dass über einen Kauf des TU-Geländes in den nächsten Wochen Gespräche stattfinden sollen. Daran erkennen sie die ganze Absurdität des GSG-Verkaufs. Man verhandelt demnächst über den Kauf von Immobilien, die man gerade verkauft hat.

Diesen Aberwitz kann man nur stoppen, wenn wir als Parlament dem Verkauf der GSG heute nicht zustimmen. Ich hoffe, dass sich dieser Meinung auch noch andere Kolleginnen und Kollegen hier im Haus anschließen.

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