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Trauerspiel um Traditionsunternehmen - Wie der Senat die KPM zu Grunde richtet und verschleudert

 Seit vielen Jahren schreibt die Königliche Porzellan-Manufaktur (KPM) rote Zahlen. Im Jahr 2000 hatte der Senat keine Lust mehr, die offenen Rechnungen aus dem Landeshaushalt zu begleichen. Eine unternehmerische Idee, wie die Luxusmarke profitabel gemacht werden könnte, hatte er nicht. Also wollte er die Verantwortung für die über 200 Jahre alte Manufaktur mit ihren rund 200 Beschäftigten loswerden. Kurzerhand übertrug er das Unternehmen an die Investitionsbank Berlin (IBB).

Die IBB war damals eine Tochter der landeseigenen Bankgesellschaft. In deren Bilanzgewinn, so hoffte der Senat, würden die Verluste der kleinen KPM bequem verschwinden. Doch 2001 flog der Schwindel um die fabelhaften Gewinne der Bankgesellschaft auf. Auf einen Schlag wurden Milliardenverluste sichtbar, die in den nächsten 20 Jahren vom Land Berlin im Rahmen der sogenannten Risikoabschirmung abgezahlt werden müssen.

Im Zuge der Aktion zur Rettung der Bankgesellschaft wurde die IBB aus dem Bankkonzern herausgelöst. Dabei musste die IBB eigenes Kapital in Höhe von 1,1 Milliarden Euro als Finanzspritze in der Bankgesellschaft zurücklassen. Unabhängig geworden stand die IBB  nur noch mit 300 Millionen Euro Eigenkapital da. Auf dieser schmalen Basis taten die Verluste der kleinen KPM auf einmal weh. Obendrein erwies sich, dass auch die IBB von Design, Herstellung und Vermarktung von Luxusporzellan keine Ahnung hatte. Woher sollte sie auch? Unternehmerischer Erfolg war der IBB sowenig beschieden wie zuvor dem Land Berlin.

Bis 2004 steckte die IBB erfolglos 20,6 Millionen Euro an Eigenkapital und Gesellschafterdarlehen in die KPM. Weitere 20 Millionen Euro investierte die IBB nach Zeitungsberichten über ihr Tochterunternehmen Gewerbesiedlungsgesellschaft (GSG) in die Sanierung des wunderschönen Werksgeländes der KPM am S-Bahnhof Tiergarten. Da aber die defizitäre KPM ihre Miete nicht zahlen konnte, musste die IBB der Porzellanmanufaktur zwei Jahre lang die Miete erlassen, was sie weitere 1,3 Millionen Euro kostete.

Nachdem die IBB auf diese Weise insgesamt 42 Millionen Euro in der KPM versenkt hatte, verlor auch sie die Lust an dem Traditionsunternehmen und beschloss im Jahr 2004, die KPM zum Verkauf  auszuschreiben. Das Rennen machte eine Gruppe um Franz Wilhelm Prinz von Preußen, die sich dadurch auszeichnete, dass sie ebenfalls keine Ahnung davon hatte, wie man die KPM sanieren könnte. Von einem Zukunftskonzept hat jedenfalls bis heute niemand etwas gehört und gesehen.

Die Gruppe bot dennoch drei Millionen Euro Kaufpreis sowie fünf Millionen Euro Investitionszusage und das Versprechen, 170 Arbeitsplätze zu erhalten. Wer nach dem Verkauf für die 15 Millionen Euro schweren Pensionszusagen an die Mitarbeiter aufkommen sollte, blieb in dem Vertrag offen. Eigenes Geld hatte die Gruppe offenkundig nicht. Der gesamte Kaufpreis wurde ihr von der Allgemeinen Beamten Kasse geliehen, die dem Präsidenten des Lions Club Jörg Woltmann gehört. Der sicherte seinen Kredit dadurch ab, dass er sich für den Fall der Insolvenz der KPM den Markennahmen verpfänden ließ.

Die merkwürdigen Umstände dieses Verkaufs hinderten den Regierenden Bürgermeister Wowereit nicht daran, den Verkauf der KPM als besonders gelungenes Beispiel für die Privatisierungspolitik des rot-roten Senats zu feiern. Doch es kam, wie es nach den Vorhersagen kritischer Beobachter kommen musste. Die KPM kam nicht aus den roten Zahlen heraus und steht seit Januar kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Jetzt zwingt der Senat die inzwischen widerborstige IBB zu einer neuen kostspieligen Transaktion. Diesmal ist Herr Woltmann der direkte Vertragspartner.

Die IBB wird, als hätte es die Tempodrom Affäre nie gegeben, laut Zeitungsberichten angewiesen, weitere 1,2 Millionen Euro als Liquiditätsspritze in die KPM zu stecken. 300.000 Euro soll sie bereits gezahlt haben. Der neue KPM-Eigentümer Woltmann bekommt für weitere 3 Jahre die Miete für das Werksgelände erlassen. Das macht über 2 Millionen Euro zu Lasten der IBB. In drei Jahren kann er dann das Gelände für 11 Millionen Euro erwerben. In das Gelände hat die IBB, wie oben ausgeführt, 20 Millionen investiert. Im Bodenwertatlas des Landes Berlin stehen die unmittelbar benachbarten Gewerbegrundstücke mit 750 bis 850 Euro pro Quadratmeter zu Buche. 800 Euro machen bei den 23.000 Quadratmetern KPM-Gelände zusätzlich einen Grundstückswert von 18,4 Millionen Euro. Da die Bebauung spoeziell ist und nicht die übliche Geschossflächenzahl erreicht, rechnen wir rund 50 Prozent, also 10 Millionen Euro Verkehrswert für das Gelände.

Und nun, liebe Leserinnen und Leser, rechnen wir mal zusammen, welchen Verlust der Senat hier dem Landesunternehmen IBB innerhalb von 5 Jahren eingebrockt hat. 20,6 Millionen Kapitalzuführung plus 30 Millionen Immobilienwert plus 3,3 Millionen Mietverzicht plus 1,2 Millionen Liquiditätshilfe addieren sich zu 56,1 Millionen Euro Einsatz der IBB. Dagegen stehen 14 Millionen Erlöse aus dem Verkauf der KPM und des Werkgeländes. Zusammen ist das ein Verlust von 49,5 Millionen Euro.

Von einem erfolgversprechenden Sanierungskonzept für die KPM ist nach wie vor nichts bekannt, so dass die Insolvenzgefahr unverändert besteht. Träte sie ein, hätte Herr Woltmann den Markennamen KPM, der sich in Südost-Asien bestimmt versilbern ließe. Außerdem könnte er das Gelände gewinnbringend verkaufen oder zumindest vermieten. Der Senat behauptet, er habe hier Sicherungen eingebaut. Aber in das Kleingedruckte der Verträge lässt er selbst uns Abgeordnete nicht blicken. Auch weiß zur Stunde niemand, wer die 24 Millionen Euro Pensionsverpflichtungen am Ende übernehmen wird. Herr Woltmann oder die Steuerzahler? Ich tippe auf Letzteres. Und ich möchte wetten: Wenn der Wahltag im September dieses Jahres vorbei ist, wird sich auch die IBB einen Teil des Schadens aus der Landeskasse ersetzen lassen.

Zurück bleibt ein Lehrstück darüber, wie SPD und PDS ein Traditionsunternehmen zu Grunde gerichtet, ein 200 Jahre altes Berliner Kulturgut verschleudert und dafür noch die Bevölkerung zur Kasse gebeten haben.

Dezember 2006 - Jochen Esser (Finanzpolitischer Sprecher der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus)


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