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Das Elend mit den Berliner Wasserbetrieben (BWB)

1. Den Investoren wird ein Haus errichtet – 1998/1999
Die damalige Finanzsenatorin Fugmann-Heesing wollte ein Defizit von 3,3 Milliarden DM im Haushalt 1998 schließen um als eiserne Lady mit einem ausgeglichenen Haushalt in den Wahlkampf 1999 zu ziehen. Also wurden 49,9 Prozent der Wasserbetriebe an ein Konsortium aus Vivendi (heute Veolia) und RWE zu 3,3 Milliarden DM verkauft (heute 1,7 Milliarden Euro)
Die Privatinvestoren kalkulierten ihre Investition von 1,8 Milliarden Euro mit einem Zinssatz von zumindest 8 Prozent, erwarten also einen Betrag von mindestens 136 Millionen Euro pro Jahr für ihre Investition.
Um Investoren und Land gleichermaßen zu befriedigen muss die BWB also eine Rendite von über15 Prozent abwerfen und rund 290 Millionen Euro einspielen.
In der Formel, es solle nach Gebührenrecht eine Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals in Höhe der Durchschnittsrendite zehnjähriger Bundesanleihen in den letzten 20 Jahren plus zwei Prozent angesetzt werden, wurde der gebührenrechtliche Weg zur Investorenerwartung gefunden.
Den Investoren war ein Haus gebaut worden - mit Keller, Erdgeschoss und Dach, wie erwünscht. Die Investoren waren bereit, es zu kaufen.

2. Das Verfassungsgericht reißt das Dach des Hauses ab – 1999
Im Jargon wird die Verzinsungsregelung auf die Kurzformel „R plus 2“ gebracht. Diese Regelung wurde dann 1999 vom Landesverfassungsgericht auf Klage von Grünen und PDS kassiert.

Jetzt hatten die Investoren ein Haus mit Keller und Erdgeschoss aber ohne Dach!
Jetzt gab es drei Möglichkeiten: Entweder kommt der Kauf nicht zustande oder der Kaufpreis wird gemindert oder das Dach wird wie vorgesehen noch nachträglich errichtet. Der Senat entschied sich für die schlechteste aller Möglichkeiten, nämlich die letzte.

3. Das Haus erhält einen neuen Dachstuhl – 1999
Die Investoren waren nach dem Urteil des Verfassungsgerichts nicht bereit, von ihren Renditevorstellungen abzurücken. Spätestens hier hätte der damalige Senat entweder den Kaufpreis entsprechend mindern oder – besser noch – ganz auf das Geschäft verzichten müssen. Stattdessen ist der Senat hingegangen und hat in dem berüchtigten § 23.7. des Konsortialvertrags den Investoren die alten Renditekonditionen garantiert.

Es sollten erstens durch Gesetzesänderungen Mittel und Wege gefunden werden, den Wasserpreis soweit zu erhöhen, dass die Gewinne der BWB ausreichen, um Renditevorstellungen der Investoren zu befriedigen. Falls das noch nicht reicht - und es reicht aktuell nicht - hat sich das Land Berlin zweitens verpflichtet, eigene Gewinnansprüche soweit zurückzustellen, dass die Renditegarantie der Investoren eingelöst wird. Der Senat nennt das vornehm „disproportionale Gewinnverteilung“. Und schließlich drittens hat sich das Land verpflichtet, wenn auch all dies nicht ausreichen sollte die Renditegarantie an die Investoren einzulösen, den Fehlbetrag an RWE und Veolia aus dem Landeshaushalt zu überweisen.
Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen zufolge, soll es angesichts dieser Tatbestände dem damaligen starken Mann der CDU Klaus Landowsky mulmig geworden sein. Aber Frau Fugmann-Heesing wollte unbedingt ihre 1,7 Milliarden Euro für die schwarze Null im Haushaltsabschluss und konnte sich der Unterstützung ihres Fraktionsvorsitzenden Böger und des damaligen haushaltspolitischen Sprechers Klaus Wowereit sicher sein.
Damit war der Dachstuhl wieder errichtet. Allerdings war das Dach noch nicht gedeckt, so dass es jederzeit reinregnen kann. Der Senat hatte sich nur verpflichtet, es zu decken. Jetzt gab es noch zwei Möglichkeiten: Das Dach wird gedeckt oder der Senat hält seine Zusage nicht ein und kommt unter Zahlung von 1,7 Milliarden plus Strafe wegen Vertragsverletzung noch aus dem Vertrag raus.

4. Harald Wolf deckt das Dach – 2003
Bis 2003 passierte gar nichts. Dann ging Harald Wolf die Sache an. Nachdem man vorwärts und rückwärts in den BWB gerechnet hat, stellt man fest, dass bei einem Wasserpreis von 5,45 Euro (Mischpreis Wasser und Abwasser) gewährleistet ist, dass die BWB die erstrebten 270 Millionen Euro abwerfen, so dass sowohl die Investoren als auch das Land Berlin ihre 136 Millionen Euro kassieren können.
Die Erhöhung um 15% ab 2004 auf 4,75 Euro reicht allein nicht aus. Deshalb wird vereinbart den Wasserpreis um weitere 12%bis 2008 zu steigern. Dann soll der Punkt erreicht sein, an dem Land und Investoren sich die Beute friedlich teilen. Bis dahin muss das Land soviel von seinem Gewinnanteil an die Privaten abgeben, dass der Investorenanteil von 136 Millionen Euro erreicht wird.
Gebührenrechtlich muss man diese Gewinnsteigerung irgendwie als Kosten darstellen. Stellschrauben dazu sind dabei ein überhöht bewertetes betriebsnotwendiges Kapital sowie die jährlich vom Senat festzusetzende Verzinsung auf dieses Kapital. Entscheidender Turbo ist aber die neue Abschreibungsregel, nach der auf Wiederbeschaffungswerte abgeschrieben wird. Die Differenz zwischen ersetzender Abschreibung und Abschreibung auf Wiederbeschaffungswerte beläuft sich zur Zeit nach meinen Schätzrechnungen auf 60 bis 70 Millionen Euro pro Jahr.
An diesen Schrauben muss man weiterdrehen, um gebührenrechtlich auf einen Kostenpreis von 5,75 Euro zu kommen. Dazu darf man das Investieren nicht unterlassen sondern muss man investieren und modernisieren, um sowohl den Wert des Anlagevermögens als auch dessen Wiederbeschaffungswert in die Höhe zu treiben. Alle Investitionen, die das gewährleisten, sind jedenfalls willkommen.
Im Dezember 2003 wurde das Teilprivatisierungsgesetz mit den Stimmen von Rot-Rot entsprechend geändert. Die Abschreibungsregel wurde wie geplant geändert und die Preiserhöhung ab 1.1.2004 sowie weitere Preissteigerungen wurden mit der Gesetzesänderung ermöglicht. Nur mit der Spaltung in Grundgebühr und Arbeitspreis scheiterte Wolf am Parlament wurde damit ermöglicht genehmigt und der weg

Jetzt hatte das Haus wieder ein Dach, allerdings gab es noch ein großes Loch darin, durch das es weiter reinregnen konnte.
Denn allein mit der Änderung des Gesetzes war den Investoren die erwartete Verzinsung in Höhe von 136 Millionen Euro erst ab frühestens 2008 zu garantieren. Es bedurfte auch noch einer Änderung des Konsortialvertrags um die Investoren sofort ihren Rechtsanspruch zu erfüllen. Jetzt gab es noch die allerletzte Möglichkeit, ein Eigeninteresse der Investoren an der Rückabwicklung zu erhalten, indem man eine Änderung des Vertrages mit den Investoren verweigerte, die ihnen umgehend ihren Anspruch aus § 23.7 Konsortialvertrag auf ungeschmälerten Gewinn garantiert.

5. Harald Wolf flickt auch das Loch im Dach – 2004
2004 wurde die Erhöhung der Wasserpreise um 15% auch tariflich genehmigt. Mit der „Fünften Änderung des Konsortialvertrages setzte der Senat die Regelung des § 23.7. des Konsortialvertrages endgültig um, wonach sich das Land verpflichtet den Investoren  Investoren ihren Anspruch auf volle Rendite zu Lasten des Landes zu garantieren.
Mit der Änderung des Konsortialvertrages wurden die Investoren ab sofort befriedigt und die dazu erforderlichen konkreten Regelungen dazu vereinbart (s.u,)

Das Haus ist fertig.
Jetzt gibt es praktisch keine Möglichkeit mehr, das Geschäft rückabzuwickeln. Alle Investorenwünsche sind erfüllt. Es gibt kein Eigeninteresse der Investoren mehr, die Sache zu beenden. Alles ist nur noch freiwillig. Sie halten ein festverzinsliches Papier mit Mindestverzinsung von 8 Prozent auf ihr eingesetztes Kapital in den Händen und würden Mondpreise von 1,7 Milliarden Euro plus entgangener Gewinne der nächsten – sagen wir mal - 20 Jahre plus X plus Y plus Z (was man sich da alles einfallen lassen kann!) verlangen, wenn jemand mit ihnen verhandeln wollte. Es ist bezeichnend, dass RWE derzeit seine gesamte Wassersparte zum Verkauf stellt mit der einen einzigen Ausnahme, den BWB.

6. Das Haus wird bewirtschaftet oder die Lage heute
„R+2“ sind derzeit 8,4 Prozent. Bei einem betriebsnotwendigen Kapital von rund 3,3 Milliarden Euro müssten die BWB 276 Millionen Euro abwerfen, um diese Rendite zu gewährleisten. Je 138 Millionen Euro für die Privatinvestoren und das Land Berlin.

Tatsächlich werfen die BWB nur 186 Millionen Euro ab. Davon erhalten die Privatinvestoren und das Land je 93 Millionen Euro. Jetzt stockt das Land nach den Regeln des Konsortialvertrages in kompliziert zu rechnenden Formeln den Investorengewinn um 45 Millionen Euro (sog. Ausgleichanspruch) auf deren138 Millionen Euro auf. Das Land Berlin behält nur noch 48 Millionen Euro Kapitalverzinsung und führt diese an den Haushalt ab.

Ziel des Senats ist es, diese disproportionale Gewinnverteilung bis 2008 zu beseitigen. Bei gleichbleibenden betriebsnotwendigen Kapital und gleichem Zinssatz aus „R+2“ würden dann Land und Land und Investoren jeweils ca. 136 Millionen Euro bekommen. (Tatsächlich hat der Landeshaushalt in der Finanzplanung für 2009 erst 114 Millionen Euro eingeplant. Grund unklar, mehrer Gründe denkbar.) Der Jahresüberschuss der BWB müsste dafür um rund 80 Millionen Euro gesteigert werden.

Mittel dazu können Kostensenkungen und Preissteigerungen sein. Kostensenkungen fallen weitgehend aus. Die Personalkosten betragen nur einen geringen Anteil an den Gesamtkosten. Hinzu kommt, dass das Personal durch den „Vertrag des himmlischen Friedens“ bis 2015 geschützt ist. Hauptkostenverursacher sind die großen Anlagen der BWB. Ein aktives downsizing wird hier nicht betrieben, weil dies Geld kostet (Investitionsmittel) und zugleich in vielen Fällen das betriebnotwendige Kapital (hier Anlagevermögen) schmälern wurde, dass die Basis für Verzinsung ist und für die Festlegung der Abschreibung nach Wiederbeschaffung.

Zu viele Interessen, die sich in Berlin rund ums Trink- und Abwasser versammeln, wollen bares Geld vom Wasserkunden:

  • 50 Millionen Euro kassiert der Senat an Grundwasserentnahmeentgelt
  • 15 Millionen will er als Straßennutzungsgebühr für die Wasserrohre kassieren
  • 114 Millionen Euro will der Senat laut Finanzplanung an Kapitalverzinsung in Jahr 2009 als Einnahme verbuchen
  • Die Teilhaber RWE und Veolia wollen ebenfalls eine Verzinsung von mindestens 8 Prozent auf den Kaufpreis von 1,7 Milliarden Euro, den sie 1999 gezahlt haben (136 Mio. €)
  • Rund knapp1000 unkündbare Überhangkräfte in den BWB wollen trotzdem monatlich ihr Gehalt (ca. 30 Mio. €)
  • Die Verluste der unprofitablen Töchter wie Berlikomm und SVZ aus der Vergangenheit sind noch zu decken (Verlustvortrag derzeit 20 Millionen Euro)
  • Die Großkunden wollen Rabatte und die Kosten dafür auf die Kleinverbraucher umlegen (Grundgebühr)
  • Senat und BWB prozessieren um Kosten der Straßenregenentwässerung, die seit 1999 strittig sind und sich bis heute auf 200 Millionen Euro belaufen.

 

7. Grundgebühr verhindern
Ursprünglich wollte der Senat den Wasserpreis sogar um 30 Prozent erhöhen. Doch da war der Deckel drauf. Für Großkunden aus der Industrie aber auch für Gemeinschaften von Eigenheimbesitzern wäre es billiger gewesen, eigene Brunnen zu graben und sich selbst zu versorgen.

Aber auch der Plan von BWB und Senat, den Wasserpreis bis 2008 in jährlichen Stufen auf 5,45 Euro anzuheben, kann deshalb nur über die Einführung einer Grundgebühr verwirklicht werden. Denn die Grundgebühr belastet kleine Haushalte in der Innenstadt erheblich, große Industriebetriebe jedoch kaum. Die normalen Kunden ohne Möglichkeit, eigene Brunnen zu benutzen, werden so von den Großkunden abgekoppelt und sind dem Monopol der Wasserbetriebe schutzlos ausgeliefert und zahlen den Rabatt der Großkunden mit. Die PDS (Wolf) tritt für die Grundgebühr ein. Die SPD (Wowereit) ist bislang noch standhaft, fängt aber an zu wackeln (Müller).

8. Welche Möglichkeiten haben wir noch:

  1. Die Bewertung des betriebsnotwendigen Kapitals angreifen. Wieviel wertlose Grundstücke sind zu Filetstückchen aufgemotzt in der Bilanz? Etc.
  2. Die Wiederbeschaffungswerte angreifen. Wie überhöht sind die Wiederbeschaffungskosten von Anlagen und Geräten geschätzt? Am Wichtigsten: Welche Anlagen werden zu Wiederbeschaffungskosten berechnet, obwohl sie wegen des gesunkenen und weiter sinkenden Wasserverbrauchs niemals wieder beschafft werden?
  3. Aktives Downsizing der Anlagen in Anpassung auf den gesunkenen Wasserverbrauch fordern. Bislang wird dies nur in dem Maß betrieben, wie die jeweilige Anlage auf der Liste der Routineauswechslung steht.

Schwierigkeiten: Punkt 1 und 2 sind enorm aufwendig. Haus- und Wohnungsverbände können es wirksamer über Klagen vor Gericht verfolgen und tun das teilweise auch. Die IHK, mit der ich dies Projekt mal angehen wollte,  fällt inzwischen für dieses Projekt aus, weil sie sich ganz auf die Kampagne für die Grundgebühr zum Nutzen ihrer (großen) Mitgliedsunternehmen verlegt hat. Punkt 3 ist technisch sehr anspruchsvoll und in der Durchführung sehr teuer. Man müsste praktisch eine fachliche und wirtschaftliche Investitionsplanung machen, ohne dass einem das Unternehmen dabei hilft. Zudem wäre je nach Stand der Abschreibung die Wirkung auf das betriebsnotwendige Kapital und damit auf die Gebühr unterschiedlich.

Jochen Esser - Berlin, 08. Februar 2006

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