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  vom 10. Mai 2006 mit Jochen Esser und Lisa Paus zum Thema:

Betriebegesetz

Preistreiberei per Gesetz - Am Montag verhandelt der Wirtschaftsausschuss das neue Betriebegesetz des rot-rot Senats. Der erwartete große Wurf ist die Novelle nicht geworden. Lehren aus dem Bankenskandal wurden nur unzureichend gezogen. Der „Fall Bielka“ wird weiter ignoriert. Grundlegende Fragen der Rechtsform von BVG, BSR und BWB wurden gar nicht erst angepackt. Mit seinem Plan, die paritätische Mitbestimmung in den Aufsichtsräten der öffentlichen Anstalten auzuhebeln, ist Senator Sarrazin gescheitert.

Von über 100 Änderungen hat der Senat nur eine einzige öffentlich kommuniziert: die Offenlegung der Vorstandsgehälter. Das Spannende passiert aber meist an Stellen, auf die die Regierung den Scheinwerfer nicht richtet. So ist es auch beim Betriebegesetz, sobald man mit der oppositionellen Taschenlampe ins Dunkel des übrigen Gesetzes leuchtet.

Ein „linker“ Senat als unsozialer Preistreiber

  1. Die für die BWB geltende Regelung der Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals wird in das Betriebegesetz übernommen und damit auf die BSR übertragen. Die Berechnung der Kapitalverzinsung ist wesentliche Ursache der Explosion der Wasserpreise und macht schon heute ein Viertel des Gesamtpreises für Wasser und Abwasser aus. Der Gesetzesvorschlag des Senats zielt auf Preistreiberei bei Wasser und Müllentsorgung und ist nach Auffassung von Bündnis 90/Die Grünen rechtswidrig.
  2. Tarife können in Zukunft in einen Grund- und Arbeitspreis aufgeteilt und obendrein degressiv bemessen werden. So bringt sich die Wirtschaft vor steigenden Preisen und Gebühren in Sicherheit. Die Normalverbraucher haben dann die Last der angestrebten Monopolrendite allein zu tragen. Der von den Abgeordneten von SPD und PDS bei seiner letzten Änderung in das Betriebegesetz gestimmte Satz „Mengenrabatte auf Arbeitspreise sind unzulässig“ wird ersatzlos kassiert. Wenn es um die staatlichen Monopolunternehmen geht, ist für Senator Wolf die soziale Verantwortung nur noch ein Fall für Sonntagsreden.
  3. Schon das alte Berliner Betriebegesetz ließ im Unterschied zu den Kommunalabgabengesetzen anderer Bundesländer (z.B. Baden-Württemberg) die Abwälzung aller Kosten auf die Kunden zu. Damit enthält es keinerlei Effizienzgebot, auf das sich ein Gebührenzahler – etwa vor Gericht – berufen könnte. Der Anreiz für BVG und BSR, rationeller zu arbeiten, ist gleich Null. Der Senat erweitert mit dem neuen Gesetz sogar noch die Liste von Klarstellungen, was alles im Zweifelfall zu den anrechnungsfähigen Kosten gezählt werden muss. Bündnis 90/Die Grünen schlagen dagegen die Formulierung des bundesweit geltenden Energiewirtschaftsgesetzes vor, um die Position der Gebührenzahler zu stärken. Danach können nur solche Kosten der Betriebsführung abgewälzt werden, „die denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Unternehmens entsprechen“.

Aus dem Bankdesaster wenig gelernt

Für die Anstalten öffentlichen Rechts trägt das Land auf Grund des Berliner Betriebegesetzes nicht nur die Anstaltslast sondern auch die Gewährträgerhaftung. Die Anstaltslast ist für die Gründung einer Anstalt öffentlichen Rechts obligatorisch. Bei der weitergehenden Gewährträgerhaftung ist dies nicht der Fall und bedarf einer besonderen gesetzlichen Regelung.

Aus der Zwangslage, in die das Land durch die Gewährträgerhaftung bei der Entscheidung über die Risikoabschirmung geraten war, hatte der Senat bei der Ausgründung von IBB und ITDZ die Konsequenz gezogen, die Staatshaftung auf die Anstaltslast zu begrenzen. Im neuen Betriebegesetz wird dieser Schritt unverständlicherweise nicht nachvollzogen. Wir schlagen deshalb vor, die neue Haftungsregelung für das ITDZ in das Betriebegesetz zu übernehmen.

Die Beschränkung der Staatshaftung auf die Anstaltslast schränkt in der Folge natürlich die Kreditfähigkeit der Landesunternehmen ein. Das ist ausdrücklich gewollt. Damit wird die Bildung von Schattenhaushalte stark eingeschränkt. Die Anstalten werden dadurch zu einer wirtschaftlicheren Betriebsführung angehalten. Verluste sind über den Landeshaushalt und nicht über Kreditaufnahme der Unternehmen zu decken. Manöver wie die Kreditaufnahme der BSR zugunsten des Landeshaushalts im Zuge der Zielvereinbarung würden unterbleiben.

Bei der Ausgründung von BVG, BWB und BSR wurde – nicht zuletzt auf Intervention des Rechnungshofs – sogar erwogen, den Anstalten überhaupt keine Aufnahme von Fremdkapital zu gestatten und die erforderlichen Betriebsmittelkredite offen und ehrlich über den Landeshaushalt bereit zu stellen.

BVG in Isolation wie eh und je

Während das Betriebegesetz die Aufgaben der BSR klar gliedert und vollständig erfasst, ist dies bei der BVG nicht der Fall. Es bleibt bei der alten Formulierung, die einen gegen alle politischen und europarechtlichen Entwicklungen abgeschotteten und intransparenten Verkehrskonzern festschreibt, der weder von außen dem Wettbewerb ausgesetzt wird noch irgendwo an ihm teilnimmt.

Ein Gesetz wird aber nicht für den Tag geschrieben und muss für verschiedene Szenarien offen sein. Der Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen spezifiziert deshalb die drei Aufgaben der BVG: Bereitstellung der Infrastruktur, Personenbeförderung im öffentlichen Auftrag und mögliche Teilnahme am Wettbewerb.

Darüber hinaus verlangen wir die Herstellung von Transparenz in der Kostenstruktur, indem die BVG in ihrem Rechnungswesen darauf verpflichtet wird, in ihrem Rechnungswesen die Einnahmen und Ausgaben für die Infrastruktur endlich von den Einnahmen und Ausgaben für die Personenbeförderung zu trennen.

Ein Verkehrsvertrag mit der BVG, der diesen Minimalgrundsätzen nicht folgt, ist das Papier nicht wert, auf dem er abgeschlossen werden soll. SPD und PDS sind aufgefordert, hier für eine klare gesetzliche Vorgabe zu sorgen.

Jochen Esser, finanzpolitischer Sprecher

Lisa Paus, wirtschaftspolitische Sprecherin

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