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 von Jochen Esser im Parlament am 22. Februar 2007
zum Thema Geplanter GSG-Verkauf

Herr Präsident, meine Damen und Herren, 
Ich bin der Meinung, dass bislang zur Frage der GSG überhaupt keine vernünftige parlamentarische Willensbildung stattgefunden hat und es deshalb zunächst darauf ankommt das Versäumte nachzuholen.
Einfach und problemlos ist der GSG- Verkauf nur für FDP und IBB. Das Thema FDP ist schnell abgehandelt: Privatisierung ist aus Sicht der FDP immer gut. Als politisches Symbol wären die Wohnungsbaugesellschaften oder die BVG zwar besser. Aber wenn man die Taube auf dem Dach nicht kriegen kann, muss man halt mit dem Spatz in der Hand zufrieden sein. Damit ist die Willensbildung dieser Parlamentsfraktion abgeschlossen.

Das Interesse der IBB ist ähnlich leicht zu durchschauen: Für die IBB ist die GSG eine ungeliebte Last, die ihr nichts als Verluste beschert hat. Insbesondere das absurde Engagement der GSG bei der chronisch notleidenden KPM stand dabei Pate. Obendrein bindet das Eigentum an der GSG nach dem Kreditwesengesetz eine Menge Eigenkapital der IBB. Würde die IBB die GSG los, würde dieses Eigenkapital für andere Aktivitäten frei.

Angesichts der Aussicht, ihre chronisch defizitäre Fehlinvestition in 400 Millionen hübsche, frei verfügbare Euro zu verwandeln, ist die Antwort der IBB einfach: Sie sagt, ich will die 400 Millionen Euro.

Bloß stelle ich da die Frage: Wofür?  Wofür?

Die IBB wird antworten, um mit dem gestiegenen Eigenkapital mehr Wirtschaftsförderung zu betreiben. Die Antwort befriedigt nicht. Denn wir wissen, dass die derzeitigen Programme der IBB eher schlecht funktionieren und keineswegs ausgeschöpft werden. Und deshalb sage ich ganz klar: Mehr vom Gleichen macht da keinen Sinn. Die IBB braucht im Augenblick nicht mehr Geld, sondern mehr Ideenreichtum und bessere Förderprogramme.

Hinzu kommt: Die GSG ist doch selbst ein Instrument der Wirtschaftsförderung. Ich kann ja nichts dafür, dass in Deutschland die Sitte – mache sagen Unsitte –herrscht, auf allen Ebenen – in der Sozialpolitik, in der Familienpolitik, in der Wohnungspolitik, und eben auch in der Wirtschaftspolitik – sowohl Subjektförderung als auch Objektförderung zu betreiben – oft munter und unkoordiniert nebeneinander her.

So ist es auch bei der Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftspolitik. Da fließen Bundesgelder  in unseren Haushalt, die wir zur Förderung von Investitionen unmittelbar an die Subjekte, die förderungswürdigen Unternehmen, weiterleiten. Und da fließen Bundesmittel in unseren Haushalt, die wir zur Subventionierung der Infrastrukturkosten dieser Unternehmen einsetzen. Dazu zählen die Gewerbehöfe der GSG.

Wenn man über den Verkauf der GSG spricht, muss man also nicht zuerst über Kaufpreise diskutieren sondern die Frage entscheiden, ob wir aus der Objektförderung für Unternehmen aussteigen wollen?

Manche von Ihnen werden sagen. Klar wollen wir, Subjektförderung ist die eindeutig bessere Lösung. Ich möchte Sie aber darauf aufmerksam machen, dass diese Antwort einen Haken hat.

Subjektförderung in der Wirtschaftspolitik ist im Wesentlichen Investitionsförderung. Sie ist damit fast ganz und gar auf größere Industrieunternehmen zugeschnitten, die in neue Maschinen und eigene Werkshallen investieren. Wer damit wenig zu tun hat, weil er im Mietverhältnis produziert oder weil seine Produktion in erster Linie über Menschen und Ideen läuft, kann mit klassischer Investitionsförderung wenig anfangen.

Im Dienstleistungsbereich, auch im Handwerk und geradezu prototypisch in der für Berlin so wichtigen Kreativwirtschaft wird deshalb eigentlich konsumtive Förderung benötigt, die es im Wirtschaftsbereich aber leider kaum gibt. Da ist der Umweg von der investiven Infrastruktur-GA zur konsumtiven Mietsubvention, wie er in den Gewerbehöfen der GSG stattfindet, eine der wenigen Möglichkeiten überhaupt gefördert zu werden.

Ich habe deshalb vor etwa zwei Jahren im Vermögensausschuss zum Thema GSG angeregt, erst einmal eine Portfolio-Analyse vorzunehmen. Wie ist eigentlich die Zusammensetzung der Mieter in den einzelnen Gebäudeobjekten? Wie hoch sind die Mieten in den einzelnen Gewerbehöfen? Wie hoch sind sie im Vergleich zu den privaten Angeboten? Welche Gewerbehöfe sind eigentlich defizitär und welche können sich tragen? Usw. Mit einer solchen Untersuchung ließe sich vielleicht beantworten, ob die Objektförderung im Hinblick auf die Kreativwirtschaft, den Dienstleistungssektor und das örtliche Handwerk erforderlich ist oder nicht? Ich vermute: Gerade im innerstädtischen Bereich dürfte das der Fall sein, und frage mich: Könnte es deshalb am Ende Sinn machen, einen Teil der Gewerbehöfe zu verkaufen und einen Teil nicht?

Ich kann mich nicht erinnern, dass dem Parlament eine Vorlage des Senats und der IBB vorliegt, die diese Fragen beantwortet. Zeit dazu, wäre wahrlich genug gewesen. Stattdessen wird hier im wirtschaftspolitischen Blindflug diskutiert.

Wir wollen, dass vor Verkaufoptionen erst einmal die Frage des wirtschaftspolitischen Nutzens der GSG geklärt und politisch entschieden wird.

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